Sonntag, 9. Oktober 2011

.: Kameraflut im Mauerpark :.

Heute stand für mich zum X-ten Mal dieses Jahr Mauerpark auf dem Programm. War aber dringend nötig, weil ich ja eine neue Mitbewohnerin habe, und ich ihr gleich einen meiner Lieblingsorte Berlins zeigen wollte. Und da der Altweibersommer auch in Berlin kaum was zu wünschen übrig lässt, haben wir uns zwar bei unsommerlichen Temperaturen, aber bestechendem Sonnenschein auf den Weg gemacht.

Wir haben beide unsere Kameras mitgenommen, sie ihre digitale Spiegelreflex, ich meine Analoge. Was mir heute zum ersten Mal aufgefallen ist: Fotografieren scheint das neue Volkshobby zu sein, und seitdem digitale Spiegelreflexkameras einigermaßen erschwinglich geworden sind (oder man sie sich als Familienprojekt zum Geburtstag wünschen kann), rennt jeder dritte semitalentierte Flohmarktbesucher mit einem Exemplar rum. Ich habe sage und schreibe eine Person ihre "normale" Digitalkamera spazieren führen gesehen, Handykameras eigentlich gar nicht, maximal wurde unauffällig auf aber nicht mit dem iPhone rumgespielt. Spiegelreflexkameras sind ja auch viel cooler und individueller und machen richtig was her, wie sie so lässig an der Körperseite schwingen. Sie geben einem das Gefühl, ein verkannter, noch nicht entdeckter Fotograf und nicht ein verlorengegangener Touri auf Berlin-Sightseeing-Tour zu sein. Eine digitale Spiegelreflex scheint das neue, hippe Accessiore zu sein, das neue iPhone quasi, nur dass man nicht dumm angemacht wird, wenn man öffentlich damit rumrennt.
Ich habe auch auf Anhieb vier verschiedene Arten ausmachen können, wie die Kamera getragen werden kann.
Typ 1 - "Oh, ich hab ja auch ne Kamera dabei": Die Person entdeckt etwas, das sie gerne fotografieren und für die Festplatte festhalten möchte. Es wird einen kurzen oder auch langen Augenblick in der Tasche gekramt und gesucht, das Accessoire ausgepackt und...Motiv ist schon weg. Die Spiegelreflex ist einfach zu sperrig, man braucht halt einen Moment, bis man sie aus der Tasche raus hat. Nach dem vergeblichen Versuch, ein Foto zu machen, verschwindet die Kamera wieder in der Tasche. Bis das nächste Mal ein Motiv um die Ecke kommt, und die Kramerei von vorne losgeht.
Typ 2 - Touri-Style: Auch bekannt als Allesknipser. Tragegurt um den Hals, Kamera direkt vor dem Bauch. Sieht man sonst nur bei großen Menschengrüppchen vor dem Brandenburger Tor, dem Hamburger Michel oder Kölner Dom. Die Gruppenmitglieder wollen allzeitbereit sein, das gleiche Motiv zu knipsen, ja nichts verpassen und beim Kamerarauskramen nicht den Anschluss an die Gruppe verlieren. 
Typ 3 - Der Lässige: Wie oben beschrieben, hängt die Kamera ganz smooth und leger über der Schulter (wie eine Tasche oder ein Beutel), so wird das ideale Schwingen der Kamera gewährleistet. Man kann völlig ohne Aufsehens nach der Kamera greifen, Foto machen, wieder an die Seite zurückhängen, und weiter so tun, als wäre man der unentdeckte neue Peter Lindbergh.
Typ 4 - Coolness für Fortgeschrittene: Mit diesem Stil, die Kamera durch die Weltgeschichte zu tragen und zu fotografieren, ist man so cool, dass man Eiswürfel pisst. Für diesen Endlevel an hipper Individualität wickelt man den Tragegurt einfach zwei Mal um das Handgelenk und hat die Kamera immer in der Hand. Das ist zwar unpraktisch, weil eine Hand permanent besetzt ist, aber es ist sofort zu erkennen, dass die Person ein talentierter Fotograf ist, und das auch nach außen hin zeigen darf. Zum Fotografieren muss nur noch die Hand gehoben und die Kamera auf das Objekt der Fotofuzzibegierde gerichtet werden, Klick, fertig, Hand runter und weiter gehts.


Die echten coolen, hippen Menschen, die wirklich individuell und außergewöhnlich sind, haben natürlich eine analoge Spiegelreflex. Analog bedeutet: Handarbeit. Analog bedeutet: Nix mit automatischen Enstellungen von Belichtungszeit und Blende. Nix mit "Oh, verknipst, ich lösch das und mach ein Neues", nachdem man auf dem Bildschirm das Dalliklickbildchen gebutachtet hat.

Oh man...

Die wirklich coolen, nicht-profiarbeitenden Menschen...haben ihre Kamera, ob nun analog oder digital, ob Schnellschussknipser, Spiegelreflex oder Handy, nicht, um damit irgendetwas darzustellen, was sie nicht sind. Sie haben sie, weil Fotografie ihnen Freude macht. Weil sie sich auf die Fotos als visuell festgehaltene Erinnerung an Momente freuen. Nicht, weil die Fotos vielleicht Facebook/Twitter/Tumblr-tauglich sind.
That's the difference.
Und darum freut es mich auch so, dass die Preise für hochwertige digitale Spiegelreflexkameras inzwischen auch in meine finanziellen Gefilde hinabsinken.

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Nun aber doch noch mal zurück zum eigentlichen Thema, Mauerparkausflug bei strahlendem Sonnenschein. Ich habe nämlich unerwartet ein paar wunderschöne Ohrringe gefunden, diese Schwalben. Ich bin zwar der Meinung, dass es auch Raben sein könnten, aber ich beim kein Ornithologie, schon gar nicht für Schmuckvögel.
Wurscht, der Schmuck ist trotzdem schön <3
Und die Ohrringe passen unglaublich gut zu dem Kleid, das ich von einer Freundin zum Geburtstag bekommen habe. Also alles perfekt.

Sidenote: Das ist auch ein Mauerpark-Trend, den ich heute bemerkt habe. Manche künstlerisch gefertigten Sachen (Eulenohrringe, Uhrenketten, Schallplatten-Schalen...) findet man an drei und mehr Ständen, und zumindest heute hatte ich den Eindruck, dass manche Schmuckdesigner beim gleichen Schmuckzubehörgroßhandel einkaufen...

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Es wird so gut.
Und es ist noch lange nicht vorbei.

1 Kommentar:

  1. oh, ich bin denn wohl ein fortgeschrittener eiswürfelpinkler:D mal abgesehen davon, dass ich grundsätzlich alles in der hand rumtrage, mach ich das auch mit meinem fotoknipser ... muss das mal überdenken.

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