Donnerstag, 22. Dezember 2011

Wildes Stil(blüten)blühen

Ich persönlich suche ja noch "meinem Stil" was das Schreiben angeht, und ich probiere munterlustig alles aus. Von kurzgefassten, fast abgehackten Sätzen bis geschwulstartigen Wortgebilden und Satzkonstruktionen ist alles mit dabei, meistens im Alltagsgammeldeutsch, Hauptsache, es fühlt sich beim Schreiben gut an.
Nun lese ich ja auch gerne, und manchmal stolpere ich über Textfetzen, die gerne Stilperlen sein wollen, aber nur ein billiger, wenn auch teilweise mal gut gemachter Abklatsch von Originalität sind. Eigentlich schmunzle ich - zuweilen auch mal genervt von den krampfhaft kontruierten, vermeintlich innovativen Verbalergüssen - über solche Plastikperlen hinweg, aber heute wurde ich innerhalb kurzer Zeit von gleich zweien überfallen.

Die erste kreuzte meinen Weg in der U-Bahn, während ich die aktuelle Ox las. Ein engagierter und sonst im Interview sehr sympathisch wirkender Mensch namens Joachim Hiller stellte dem Sänger von Death is not Glamorous, Christian Medaas, ein paar Fragen. Wie für Interviews üblich, steht oben drüber ein einleitender Text. Und in eben diesem blüht im letzten Satz Folgendes: "...die Stimme von Christian Medaas, der klingt, als gurgle er jeden Morgen mit rostigen Eisenspänen..."
Was der gute Joachim wohl eigentlich sagen wollte: der Sänger klingt wie ein stinknormaler Kettenraucher, das Ausmaß der Kippenauswirkungen durchaus noch ausbaubar. Klingt aber öde und stinknormal eben, also mus schnell eine feine, neuartige Beschreibung her - die aber auch nicht besser klingt als die ursprünglichere.
Mir schwahnt ja, dass ich noch mehr solcher Kreativitätsauswüchse in den musikzeitschriften finden werde, ich bin gespannt.

Die zweite Plastikperle fand ich beim Stöbern mit einer Freundin in einem unglaublich schönen Buchladen (ein echter Laden, keine, wie sie es ausdrückte, Legebatterie für Bücher). Cover und Titel können entscheidend sein, ob ich ein Buch überhaupt erst in die Hand nehme, und so hatte ich mir irgendwann auch Als der Mond vom Himmel fiel von Anja Jardine gegriffen. Die gleichnamige erste Kurzgeschichte beginnt so: "Die langen Arme auf den Cafétisch gegossen wie die eines Oktopus... In Zeitlupe hob er die Lider über seine vorstehenden Augäpfel, wo sie auf halber Höhe verweilten, als sei den Pupillen mehr Welt nicht zumutbar..."
Da fällt mir grade nichts mehr zu ein. Vielleicht bin ich heute einfach nur etwas anti, das gestehe ich ein, der Tag begann für mich nämlich ohne richtigen Kaffee, weil die Sojamilch auf einen Alibischluck dezimiert war, aber mal ehrlich...soviel...wie nennt man den sowas...neocoole Bildsprache...man merkt, mir fehlen echt die Worte...jedenfalls klang mir das alles zu gewollt und das Buch blieb, wo es war.

Soviel zum heutigen Stilblütenwildwuchs.

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