Sonntag, 29. Januar 2012

Schnee, ich dachte schon, dich gibt's nicht mehr



Heute morgen lagen zehn Stunden Schlaf hinter mir, der von vier Mal Augenöffnen unterbrochen War. Ein Fortschritt, die vier Male habe ich sonst auch gerne in vier Stunden. Als ich zum fünften Mal die Augen öffnete, trug der Himmel endlich mal wieder rote Wolken, und auf den Dächern lag Schnee... 
Moment, Schnee?
Dieses weiße, kalte Zeug, das einem schneller Kälte in die geliebten, durchlöcherten Chucks jagt als normale, kalte Windergehwegplatten? Ja, Schnee. Alibi-Schnee. Eine Hauchdünne Schicht bedeckte Häuser, Balkons und manche Autos, aber auf dem Boden war er schon nur noch erahnbar. Egal, für den Moment sollte es reichen. 
Auch ansonsten fing der Tag ganz gut an. Ich habe gleich mit dem Frühstückskaffee meinen ersten Vokabelblock hinter mich gebracht, immerhin 45 Minuten am Stück, und bin danach gleich hochpanisch motiviert an meinen Cicerotext gegangen. Doch trotz der klammen Gefühls in der Magengrube, dass die verdammte Prüfung schon in 12, nein, 11 Tagen ist, konnte ich mich des Schachtelsatzes, der sich über endlose sechseinhalb Zeilen zog, nicht erbarmen. Aber immerhin, etwas habe ich getan, insgesamt aber weniger als geplant. In meinen Kopf stehlen sich Bilder von Sommer und Baggersee, was allein deshalb schon seltsam ist, weil ich in meinem ganzen Leben nur einmal an einem solchen See war. Ich kenne zwar auch einen "echten" beim Campingplatz meiner Großeltern, aber allgemein galt für mich schon immer die Prämisse: wenn Wasser, dann nur fließend - was in meiner Vorstellung einzig und allein auf Fluss und Meer zutrifft, vielleicht noch auf Dusche und Wasserhahn, aber darin kann man nicht schwimmen, dementsprechend dienen sie nur schlecht als tagträumerische Fluchten. Zwischendurch immer wieder der gegruselte Blick auf meine Lernkarten, aber den größten Teil des Mittags und Nachmittags habe ich am See verbracht. Irgendwann, schon lange nach meinem Mittagessen, das heute sogar als echte Mahlzeit bezeichnet werden kann und nicht mehr nur als faules, schnell hingeschmiertes Toast, zog es mich aber vom Wasser fort nach Thornfield. Jane Eyre hat mich über 250 Seiten langin Beschlag genommen, und ich befürchte, dass ich weiterlesen muss. Es liegen nämlich noch weitere 250 Seiten vor mir, aber da sie ihren Angebeteten wohl auf den nächsten Seiten heiratet, frage ich mich, was da noch kommt. Die Möglichkeiten sind vielfältig, aber ich hoffe, es geht nicht so weiter, wie ich befürchte: detailgenaue Beschreibungen ihrer Ehe, ihrer 15 Schwangerschaften, an deren letzten sie dann dahinsiechen wird. Wobei, da der Roman aus ihrer Sicht beschrieben wird, wäre es durchaus interessant, das Sterben aus einer solchen Perspektive zu erleben. 
Neben der Unproduktivität des Tages sind auch meine Befürchtungen ob meines komischen Bauchgefühls nicht grade spaßig. Meine alte Freundin Prüfungsangst - nein, ich werde sie auch dieses Mal nicht los, und ich werde nich allzuviel Energie darauf verschwenden, sie zum Gehen zu überreden - hat ja seit Donnerstag wieder ihren semidauerhaften Wohnsitz bezogen. Der brackige Geschmack auf meiner Zunge und das brennende Gefühl im Magen kommen aber nicht nur von ihr, sondern anscheinend auch daher, dass ich grade wieder auf dem besten Wege einer Reflux bin. Heißt: Kein Kaffee, kein scharf, kein süß. Die vier Male, die ich heute wach geworden bin, hätte ich jedes Mal spucken können, ich hatte das Gefühl,die Süßigkeiten von gestern müssen raus. Zum Frühstück hatte ich das aber schon wieder vergessen, und jetzt sitze ich wieder da, mit dem gleichen sauren Gefühl in der Magengegend. Und bevor es wieder ins Extrem ausartet und ich keinen Kaffee trinken darf, was in der Prüfungszeit für mich und vor allem für die Freude meiner Umwelt absolut tödlich ist, esse ich die nächsten drei Wochen lieber weniger bis gar keine Süßigkeiten.

Wohlan. Mal sehen, wie ich die letzten Stunden des Tages rumbekomme, aber befürchte fast, dass Cicero der Bronte unterlegen ist. Morgen werde ich auf meine Englischkenntnisse geprüft, aber irgendwie sehe ich der Prüfung sehr entspannt entgegen. Vielleicht etwas zu entspannt, ich hoffe, ich vergesse nicht, hinzugehen...

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